Selbstmitgefühl braucht Achtsamkeit. Denn mit Hilfe der Achtsamkeit lernen wir, angenehme wie schmerzhafte Empfindungen offen und klar zu sehen. Wir halten sie aus, ohne uns von ihnen fortschwemmen zu lassen. Auf spiritueller Ebene gehört Mitgefühl zu den großen Geisteskräften, zu den sog. Vier Unermesslichkeiten: Liebe, Mitgefühl, [Mit-]Freude und Gleichmut. Diese vier werden dann als unermesslich bezeichnet, wenn sie alle Lebewesen einschließen, und zwar unabhängig davon, ob sie Freunde, Feinde oder Unbekannte sind. 

Mitgefühl ist…

..der Wunsch nach Leidfreiheit für sich selbst und andere Lebewesen. Die Definition, die ich hier verwende, kommt zwar aus dem buddhistischen Kontext, hat aber mittlerweile auch die westliche Psychologie erreicht. Im Gebet Die Vier Unermesslichen, das sich auf die praktische Übung zur Entfaltung von Mitgefühl bezieht, ist es folgendermaßen definiert: Wie wunderbar wäre es, wenn alle Lebewesen frei von Leid und den Ursachen des Leids wären. Mögen sie frei davon sein. Ich werde sie zu diesem Zustand führen. […]

Auch hier gibt es ein stufenweises Vorgehen: Zunächst entsteht der Wunsch, alle Lebewesen mögen frei sein von Leid: (1) Wie wunderbar wäre es, wenn

Dieser Wunsch wird stärker und stärker, sodass ich es kaum ertrage, wenn andere leiden: (2) Mögen Sie doch frei sein von Leid.

Und schließlich wird der Wunsch so stark, dass ich aktiv etwas gegen das Leiden unternehme: (3) Ich werde sie zur Leidfreiheit führen

Diese inneren Wünsche zeigen auch die Entwicklung der Geisteskraft. Zunächst noch schwach, dann stärker und schließlich schreiten wir zur Tat. Das ist nur möglich, wenn wir die Kraft des Geistes entsprechend trainieren.

Mitgefühl, Mitleid und Empathie sind zu unterscheiden

Mitgefühl ist der Wunsch nach Leidfreiheit. Es ist egalitär, eine Beziehung zwischen Gleichen, eine Begegnung auf Augenhöhe. Mitgefühl wird dann real, wenn wir uns unseres gemeinsamen Menschseins bewusst sind. (Pema Chödrön, Zitat aus: Psychologie heute, s.u.) 

Mitleid hingegen ist hierarchisch. Moralisch oder sozial Höhergestellte bzw. sich höher Fühlende bemitleiden Angehörige niederer Gruppen. Wir haben Mitleid mit Bettlern, Obdachlosen, Alten und Kranken, geben ihnen eine Spende und schenken ihnen ein Lächeln oder ein freundliches Wort. Aber tief im Herzen wollen wir nichts mit ihnen zu tun haben und beeilen uns, schnell wegzukommen. 

Auch Empathie ist nicht mit Mitgefühl gleichzusetzen. Empathie ist die Fähigkeit und die Bereitschaft, Gefühle und Emotionen einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. Empathische Menschen können sich in die andere Person einfühlen, in ihre Gemütslage hineinversetzen, die Situation nachempfinden. Meist belassen sie es aber dann dabei. (aus: Psychologie heute).

Erwachen braucht (Selbst-)Mitgefühl

Buddhistinnen streben nach Befreiung bzw. danach, zu erwachen und selbst Buddha zu werden. Die motivierende Kraft hinter diesem Streben sind Liebe und Mitgefühl. Denn um für das Wohl der Lebewesen wirken zu können, brauchen wir Mitgefühl und Liebe in ihrer Vollkommenheit. Dazu kommt dann auch die Weisheit, die die Wirklichkeit erkennt, so, wie sie ist. All das sind bloß schöne Worte, solange wir uns nicht auf den Weg machen und mit der Praxis beginnen. Mitgefühl und Liebe beginnt bei uns selbst.

Der einzige Mensch, der uns direkten Zugang zu seinen innersten Gefühlen der Traurigkeit, der Angst, der Freude, der Scham, der Glückseligkeit, der Niedergeschlagenheit, der Ekstase usw. gewährt, sind wir selbst. Unsere Praxis des tiefen Schauens und des Erkennens, des Ertragens und Annehmens, des Transformierens und Loslassens bewirkt schließlich die Erfahrung der Befreiung.

Es ist die Praxis, die unsere Kraft des Mitgefühls stärkt und die wir dann weiter ausdehnen auf Nahestehende, auf Fernstehende und schließlich auf alle Lebewesen. Befreiung ist Freiheit von allen Leidenschaften, von den Leiden schaffenden Emotionen und Gewohnheiten, die wir oft als Schutzschilder um uns herum aufbauen: Hass, Anhaftung, Verblendung, Schuldzuweisungen, Perfektionismus und vieles mehr sind Formen der Angst.

 

Beim Praktizieren von Mitgefühl entsteht Verletzlichkeit

Mitgefühl erfordert aufrichtige Ehrlichkeit und bringt uns in Berührung mit unseren eigenen Leiden, mit den dunklen und verletzlichen Seiten unseres Seins. Mitgefühl zu praktizieren bedeutet radikale Hinwendung und Zuwendung zu uns selbst, zu unseren tief sitzenden Ängsten und Blockaden, zu dem, was unser Erwachen behindert. Mit der Kraft des Mitgefühls lernen wir, den Schmerz auszuhalten, zu betrachten, zu umarmen und uns schließlich davon zu befreien. Die andere Seite der Befreiung ist, die uns innewohnende Leuchtkraft voll zu entfalten und unseren Potentialen Gestalt zu geben.

Wir bringen unsere bislang verdeckten und verschütteten Samen ans Licht, nähren sie, lassen sie keimen, wachsen und erblühen.  Indem wir uns auf diesen Prozess einlassen, öffnen wir uns auch den Empfindungen und Erfahrungen anderer. Wir erleben das gemeinsame Menschsein und erkennen unsere tiefe Verbundenheit mit allen Lebewesen. 

Wenn wir uns in Mitgefühl üben, können wir davon ausgehen, dass wir die Angst unseres eigenen Schmerzes erfahren werden. Mitgefühl zu praktizieren ist gewagt. Es bedingt, dass wir lernen, uns zu entspannen und zu erlauben, uns sanft auf das hinzu zu bewegen, was uns Angst macht. (Pema Choedron. Geh an die Orte, die du fürchtest.)

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