Mitgefühl ist der Wunsch nach Leidfreiheit für sich und andere Lebewesen. Brené Brown hat in ihren Forschungen herausgefunden, dass mitfühlende Menschen Grenzen setzen, NEIN sagen und andere für ihr Verhalten zur Verantwortung ziehen können. (Brené Brown. Die Gaben der Unvollkommenheit.)

Schuldzuweisung versus Verantwortung-Einfordern

Brown sieht, dass wir in einer Kultur der Schuldzuweisungen leben, die einer Kultur der Verantwortung entgegensteht. Denn wir beschränken uns meist darauf, wissen zu wollen, wer Schuld hat und wie er/sie dafür bezahlen soll. Wir schreien viel herum, richten unsere Finger auf andere und nur selten fordern wir auch Verantwortung ein. Schließlich sind wir von dem ganzen Geschimpfe und Geschrei erschöpft und haben keine Kraft mehr. Denn Grenzen zu setzen und Menschen zur Verantwortung zu ziehen, ist viel mehr Arbeit (an uns selbst), aber auch viel effektiver, als zu beschämen und Schuld zuzuweisen. 

Brown schreibt weiter: Wenn wir nicht lernen, unsere Belange mit angemessenen Konsequenzen zu vertreten, tendieren andere dazu, unsere Bitten und Anliegen nicht ernst zu nehmen. Wenn wir unsere Kinder auffordern, ihre Kleidung nicht auf dem Boden liegen zu lassen, und sie wissen, dass die einzige negative Konsequenz, in ein paar Minuten Geschrei besteht, dann können sie fairerweise annehmen, dass uns das Ganze eigentlich nicht besonders wichtig ist. (Brené Brown. Die Gaben der Unvollkommenheit.) Für manche ist es schwer zu begreifen, dass Mitgefühl praktizieren und Grenzen setzen zusammenpasst. Echtes Mitgefühl ist aber immer mit Weisheit verbunden, mit dem Wissen darum, was wirklich nachhaltig ist und allen Beteiligten langfristig Nutzen bringt. 

Mitgefühl und Verantwortung-Einfordern

In ihren Forschungen hat Brené Brown herausgefunden, dass mitfühlende Menschen folgende drei Eigenschaften erlernt haben und anwenden: Mitfühlende Menschen können NEIN sagen, Grenzen setzen und Verantwortung einfordern. Das geht, indem sie Menschen von ihren Verhaltensweisen trennen.  Dies hat schon der Buddha empfohlen: Unangebrachte Handlungen verurteilen und ablehnen und die Menschen dafür zur Verantwortung ziehen, ohne jedoch die Person selbst in ihrem Wesen zu beschämen und zu verletzen. Das ist enorm schwierig. Dennoch lohnt es sich, mit diesem Ideal vor Augen sein Bestes zu geben.

Person und Handlung getrennt betrachten

Auch Shantideva, ein indischer Meister aus dem 8. Jhdt. hat in seinem Werk Eintritt in das Verhalten eines Bodhisattvas – das Bodhicaryavatara, darauf hingewiesen:  41) Die wirkliche (Ursache meines Schmerzes), das heißt den Knüppel und dergleichen außer Acht lassend: wenn ich mich über den Menschen ärgern würde, der den Knüppel geschwungen hat, so müsste ich in der Tat (einsehen), dass (auch) er nebensächlich ist, da auch er lediglich vom Ärger angestachelt wurde. Es wäre demnach angemessener, sich über seinen Ärger zu ärgern. (Kap. 6, Vers 41)

Shantideva erinnert uns daran, dass es keinen Grund gibt, auf die Person wütend zu sein, da auch sie nur getrieben ist von destruktiven Emotionen, wie Wut, Eifersucht usw. Das bedeutet jedoch nicht, all ihre Handlungen zu akzeptieren und freundliches Verständnis aufzubringen. Nein, es bedeutet vielmehr, Mut zu zeigen und mit allen Konsequenzen Grenzen setzen und Verantwortung einfordern. Das wiederum verlangt viel Arbeit an uns selbst. Es ist jedoch auf lange Sicht viel konstruktiver, als auf und über andere zu schimpfen, sie zu beschämen und ins schlechte Licht zu rücken.  Denn wenn wir es nicht schaffen, Grenzen zu setzen und Menschen zur Verantwortung zu ziehen, dann fühlen wir uns schlecht behandelt und benutzt. Deshalb beginnen wir zu schreien, zu beschämen und zu verletzen. Doch letztlich trifft uns dies auch selbst und schmerzt vor allem im Herzen – so ist zumindest meine Erfahrung. 

Selbstmitgefühl – Freundlichkeit, Menschlichkeit, Achtsamkeit

Ein Moment Mitgefühl mit dir selbst kann deinen gesamten Tag verändern. Viele solche Momente können den Verlauf deines Lebens ändern. Christopher K. Germer. Kristin Neff, eine US-amerikanische Psychologin, erforscht seit vielen Jahren die Praxis des Selbstmitgefühls. Aus ihrer Sicht besteht Selbstmitgefühl aus drei Elementen:

1. Freundlichkeit uns selbst gegenüber versus Selbstkritik

Menschen mit Selbstmitgefühl sind, wenn sie leiden, versagen oder sich unzulänglich fühlen, sich selbst gegenüber warmherzig, freundlich und verständnisvoll, anstatt ihren Schmerz zu ignorieren oder sich mit Selbstkritik zu geißeln. Sie erkennen an, dass es unvermeidlich ist, unvollkommen zu sein, zu versagen und Schwierigkeiten im Leben zu erleben. Menschen mit Selbstmitgefühl üben, sanft mit sich selbst umzugehen, wenn sie mit schmerzhaften Erfahrungen konfrontiert werden, anstatt wütend zu werden, wenn das Leben hinter den Idealvorstellungen zurückbleibt.  Wir können nicht immer genau das sein oder bekommen, was wir wollen. Wenn wir diese Realität leugnen oder bekämpfen, nimmt das Leiden in Form von Stress, Frustration und Selbstkritik zu. Wenn wir diese Realität mit Mitgefühl und Freundlichkeit akzeptieren, stellt sich eine emotionale Gelassenheit ein.

2. Gewöhnliche Menschlichkeit versus Isolation

Menschen mit Selbstmitgefühl erkennen an, dass Leid und Gefühle von persönlicher Unzulänglichkeit Teil unseres gemeinsamen Menschseins sind. Alle Menschen leiden. Die eigentliche Definition des Menschseins bedeutet, sterblich, verletzlich und unvollkommen zu sein. Deshalb gehört zum Selbstmitgefühl die Erkenntnis, dass Leiden und persönliche Unzulänglichkeiten Teil der gemeinsamen menschlichen Erfahrung sind.

3. Achtsamkeit

Selbstmitgefühl erfordert einen ausgewogenen Umgang mit unseren negativen Emotionen und aufkommende Gefühle weder zu unterdrücken noch aufzubauschen.  Achtsamkeit bedeutet auch, dass wir unsere negativen Gedanken und Gefühle mit Offenheit und Klarheit beobachten und uns nicht so stark mit ihnen identifizieren und mitreißen lassen. Wir können unseren Schmerz nicht ignorieren und gleichzeitig Mitgefühl für ihn empfinden. 

Eine kleine Übung für dich

Du findest sie auf der Website von Kristin Neff (s.o.). Ich hab’ sie ein klein wenig abgewandelt 😉 Berührungen | Hand-aufs-Herz Wenn du unter Stress bist, wenn du dich unausgeglichen fühlst, nimm’ drei entspannte, angenehme Atemzüge. [Atme durch die Nase in den Bauch.] Lege deine Hand/deine Hände ganz sanft auf dein Herz, fühle den sanften Druck und die Wärme deiner Hand/Hände. Spüre die Berührung deiner Hand/Hände in deinem Brustkorb. Wenn du möchtest, kannst du deine Hand auch kreisen lassen. Spüre die natürlichen Bewegungen deines Körpers im Rhythmus deines Ein- und Ausatmens. Bleib in diesem Gefühl, in dieser achtsamen Körperwahrnehmung so lange du möchtest. Variationen: berühre deine Wangen mit deinen Händen | streichle sanft deine Arme und Hände | umarme dich selbst  Viel Freude beim Üben 🙂

Willst du Fokus, Achtsamkeit und innere Stärke gewinnen?

Dann lerne meditieren 🙂 In unseren Meditationskursen hast du die Möglichkeit Theorie und Praxis der [Shamata-] Meditation zu lernen. Trag dich gerne in die Interessentenliste ein – dein Eintrag ist unverbindlich und kostenlos.

Meditieren ist einfach – wenn man weiß, wie’s geht. Für AnfängerInnen ist es wichtig, klare und kompetente Anleitungen zu erhalten, um richtig zu starten. Für Fortgeschrittene ist es hilfreich, sich hin und wieder rückzuversichern, ob der Pfad noch immer stimmt. 

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