Viele Weltreligionen streben nach edlen Zielen und legen großen Wert auf einwandfreies ethisches Verhalten. Sie lehren, nicht zu lügen, nicht zu stehlen, anderen nicht das Leben zu nehmen uvm.

Um andere Religionen zu verstehen, ist es wichtig, sich Basiswissen über sie anzueignen, möglichst von einer authentischen Quelle. Ich werde daher auf meinem Blog immer wieder mal die grundlegenden Sicht- und Denkweisen des (tibetischen) Buddhismus näher ausführen.

Dabei stütze ich mich auf Belehrungen meiner ehrw. Lehrer Lama Geshe TenDhar und S.H. Dalai Lama.

Ursache und Wirkung

Die buddhistische Philosophie basiert auf dem Gesetz der Kausalitätsbeziehungen – dem Zusammenspiel von Ursachen und Wirkungen. Alles, was wir tun, jede Entscheidung, die wir treffen, hinterlässt einerseits Spuren, Anlagen” im eigenen Bewusstsein und wird andererseits auch von bereits vorhandenen “Anlagen” aus vergangenen Handlungen, “Gewohnheitsmustern” beeinflusst. 

Zum Thema Karma und Wiedergeburt habe ich ja bereits 2 Blogartikel geschrieben: siehe Karma-Teil 1 und Karma-Teil 2.

Buddhisten glauben an die Wiedergeburt und an die Möglichkeit, den Kreislauf der unfreiwilligen Wiedergeburten vollständig verlassen zu können.

Sie streben nach Befreiung aus dem sog. Daseinskreislauf und/oder nach dem vollkommenen Erwachen, nach der Buddhaschaft

Das bedeutet, Buddhisten sind überzeugt, dass es möglich ist, einen starken und klaren Geist zu entwickeln, der sich von allen Fehlern und negativen Einflüssen lösen und Befreiung bzw. Allwissenheit erlangen kann.

Mit anderen Worten, es ist möglich, alles Negative aufzugeben und alles Positive  – Weisheit und Mitgefühl – zur Vollkommenheit zu entwickeln. 

Das setzt Wissen voraus. Man muss wissen, was anzunehmen und was aufzugeben ist. 

Der Geist im Zentrum der Lehre

Im Buddhismus hat der Geist – das Bewusstsein – eine herausragende Bedeutung. Der Geist wird als natürlich rein, klar und erkennend definiert. “klar” bezieht sich u.a. auf die Eigenschaften Transparenz und Nicht-Körperlichkeit und “erkennend” ist die Fähigkeit, das, was dem Geist erscheint, wahrnehmen, “erkennen”, benennen zu können.

Körper und Rede existieren in Abhängigkeit vom Geist. Die „Unreinheiten“ in unserem Denken, unsere negativen Gedanken und Handlungen haften am sekundären Bewusstsein. Sie sind wie Wolken am Himmel. Sie verdecken die wahre Natur des Geistes, der in seiner Essenz jedoch immer rein, klar und erkennend bleibt. 

Durch die spirituelle Praxis – Studium und Meditation – können alle Unreinheiten beseitigt werden, bis schließlich vollkommene Reinheit und Buddhaschaft erlangt wird.

Ein Buddha ist jemand, der alle Fehler aufgegeben hat und alle Vortrefflichkeiten – Weisheit und Mitgefühl, Allwissenheit – erlangt hat.

Ein Buddha wirkt ausschließlich zum Wohle der Lebewesen.

Der Buddha

Vor über 2.500 Jahren wurde der historische Buddha, bekannt als Siddharta Gautama, in einer königlichen Familie in Indien geboren. Während dieser Zeit begegnete er dem Leiden der Welt und erkannte die Unsicherheit des Lebens im Allgemeinen.

Im Alter von 29 Jahren entsagte er dem Leben als Prinz, verließ sein Zuhause und wurde Asket.

Seine Suche, sein Studium und seine Meditationspraxis führten ihn schließlich nach ca. 6 Jahren zum Erwachen. 

Wir Buddhisten glauben, dass in diesem Zeitalter 1000 Buddhas erscheinen werden. Jeder dieser Buddhas wird in die Welt kommen und seine eigene Lehre darlegen.

Der Buddha dieses Zeitalters heißt Shakyamuni-Buddha. Er ist Buddha Nr. 4.

Der kommende Buddha trägt den Namen Maitreya, Buddha der Liebe”. Das Wort “maitrī” ist Sanskrit (Pali: mettā) und bedeutet Freundschaft, Wohlwollen, liebende Güte.

Die Lehren des Buddha

Nach dem Erwachen wurde Siddhartha Gautama Buddhader Erwachte – genannt. Er begann zu lehren und legte seine Lehre in drei Zyklen dar. Diese Lehrzyklen werden als “Die Drei Räder der Lehre”, auch “Das Dreifache Drehen des Dharmarades”  genannt. 

Das erste “Dharmarad” lehrte er im Hirschpark von Sarnath, Varanasi: Die Vier Edlen Wahrheiten. Hier wird das Wesen des Leidens und die Befreiung aus dem Leidenskreislauf dargelegt.

Die Vier Edlen Wahrheiten habe ich in zwei Blogartikeln beschrieben: Teil 1 und Teil 2.

Das zweite “Dharmarad” lehrte Buddha auf dem Geierberg in Rajgir, Nalanda: Prajnaparamita – Die Vollkommenheit der Weisheit. Eine der Prajnaparamita Lehrreden wird auch „Herzsutra“ genannt. Das Herzsutra ist sehr kurz, viele Buddhisten kennen es auswendig und rezitieren es täglich.

Der Prajnaparamita-Zyklus handelt vor allem von der sog. Leerheit, Shunyata, der Lehre von der Merkmalslosigkeit.

Im Buch „Der buddhistische Weg zum Glück“ gibt S.H. Dalai Lama Erklärungen zum Herzsutra.

Das dritte “Dharmarad” lehrte er in Vaishali (Vaiśālī): Das Rad der Guten Unterscheidung. Hier erläuterte Buddha vor allem die Buddhanatur

Eine andere Einteilung der Lehren des Buddha ist die Einteilung in die Drei Sammlungen der Schriften, auch Drei Schriftkörbe (Tripiṭaka) genannt: 

1. Die Sammlung der Lehrreden Sutra-pitaka – enthält alle Lehrreden des Buddha (Sutras). 

2. Die Sammlung der OrdensregelnVinaya-pitaka – besteht aus den ethischen Regeln für Mönche und Nonnen. 

3. Die Sammlung des Manifesten Wissens, auch Sammlung des Wissens genannt- Abhidharma-pitaka – beinhaltet u.a. die Kommentare und Werkzeuge zu logischem Denken. 

In der ersten Schriftsammlung werden die Lehre und ihre Bedeutung dargelegt, mittels der zweiten Schriftsammlung wird die Lehre im Alltag verankert und die Abhidharma-Schriften geben uns die Werkzeuge, die Lehren in ihrer Weite und Tiefe zu verstehen.

Die Nachfolger des Buddha

Die Nachfolger des Buddha sind jene, die die buddhistische Lehre studieren und praktizieren. Sie können auf verschiedene Arten eingeteilt werden.

Gemäß der spirituellen Ziele, die angestrebt werden, unterscheidet man 3 Fahrzeuge: 

1. Das Fahrzeug der Hörer (Skt.: Sravaka), 

2. Das Fahrzeug der Alleinverwirklicher (Skt.: Pratyekabuddha) und 

3. Das Fahrzeug der Bodhisattvas

Die Anhänger der ersten beiden Fahrzeuge (Kleines oder Bescheidenes Fahrzeug – Hinayana – genannt) streben nach der Befreiung aus dem Daseinskreislauf (Nirwana). Ihr Ziel ist die persönliche Befreiung. Sie folgen dabei hauptsächlich der ersten Lehrrede des Buddha (Die 4 Edlen Wahrheiten). 

Die Anhänger des dritten Fahrzeugs (Großes oder Umfassendes FahrzeugMahayana – genannt) nennt man Bodhisattvas. Sie folgen dem 2. und 3. Lehrzyklus und ihr Ziel ist – neben der persönlichen Befreiung -, insbesondere die Befreiung aller Lebewesen.

Aufgrund ihres Unermesslichen Mitgefühls streben Bodhisattvas nach Buddhaschaft, nach dem vollkommenen Erwachen, um zum Wohle aller Lebewesen zu wirken.

Innerhalb des Bodhisattva-Fahrzeugs gibt es auch das sog. Vajrayana, das Diamant-Fahrzeug auch Tantrayana oder Mantrayana genannt. Die tantrischen Übungen sind jedoch nicht losgelöst von den Lehren des Buddha, sondern in vollkommener Übereinstimmung mit ihnen. 

Buddhistisches Tantra ist nicht zu verwechseln mit nicht-buddhistischen Tantrapraktiken.

Der tibetische Buddhismus

Der Tibetische Buddhismus hat seine Wurzeln im indischen Buddhismus, in der sog. Nalanda-Tradition. Nalanda war die größte buddhistische Universität Indiens mit zeitweise bis zu über 10.000 Studenten und über 1.000 Lehrenden. 

Nalanda wurde im 3. Jahrhundert gegründet und erlebte ab dem 5. Jahrhundert seine Blütezeit. Noch heute kann man die Ruinen von Nalanda in der Nähe von Rajgir im indischen Bundesstaat Bihar besichtigen. 

Nalanda wurde im 13. Jahrhundert von Moslems vollkommen zerstört.

Ausgehend von der Nalanda-Tradition haben sich in Tibet vier große und einige kleinere buddhistische Schulen etabliert. 

Die vier großen tibetisch-buddhistischen Schulen sind: 1. Nyingma, 2. Kagyu, 3. Sakya, 4. Gelug. Sie alle stützen sich sowohl auf die Sutras als auch auf die tantrischen Schriften und Praktiken.

Die zwei Säulen des Buddhismus: Ansicht und Verhalten

Alle buddhistischen Traditionen bestehen aus zwei Säulen: die Säule der Ansicht und die Säule des ethischen Verhaltens. 

Die buddhistische Ansicht ist die philosophische Sichtweise des Abhängigen Entstehens auf konventioneller Ebene und die Sichtweise des Nicht-Selbst bzw. der Leerheit von inhärenter Existenz auf letztendlicher Ebene.

Grundlage des buddhistischen Verhaltens ist die Praxis der Gewaltlosigkeit, die Ethik des Nicht-Schaden-Wollens.

In Abhängigkeit von der philosophischen Sicht des Abhängigen Entstehens werden die Gesetzmäßigkeiten von Karma – Handlung und Wirkung -, Wiedergeburt, die Vier Edlen Wahrheiten, Befreiung, Erwachen usw. erklärt.

Auf die zwei Säulen des Buddhismus – Ansicht und Verhalten – werde ich in einem meiner nächsten Blogartikel näher eingehen.

Der große indische Meister (Nalanda-Tradition) Nagarjuna soll gesagt haben:

Wer die Leerheit erkennt, ist achtsam.

Der Ehrw. Lama Geshe TenDhar schenkte uns im Jahr 2000 zu Weihnachten folgenden einfachen, aber sehr tiefgründigen Vers, der eine ähnliche Bedeutung in sich trägt:

On Karma everything depends,

On the Mind, Karma depends,

Therefore Mind has to be good,

This is How All Happiness arises.

Mögen wir erkennen, dass Weisheit ohne Mitgefühl genauso ins Unglück führt wie Mitgefühl ohne Weisheit.

🙏

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