Meditation ist eine jahrtausendealte Methode zur Schulung und Sammlung des Geistes. Heute wird der Begriff Meditation für alles Mögliche verwendet und vielen Menschen ist auch nicht klar, worum es beim Meditieren eigentlich geht. Von Samadhi und Shamatha haben selbst Menschen, die meditieren, noch nie gehört.

Die Praxis der Meditation kommt ursprünglich aus Indien. Im Buddhismus wurde sie von Beginn an – ab ca. 500 v.Chr. – als Methode der Geistesschulung verfeinert und schließlich als stufenweises Training etabliert.

Auch im Christentum wird Meditation als Mittel zur Vertiefung des Gebets und der spirituellen Erfahrung praktiziert.

In diesem und im nächsten Blogartikel erläutere ich auf Basis der buddhistischen Tradition den Weg zur Entfaltung von einspitziger Konzentration (Sanskrit: Samādhi) und von Geistiger Ruhe (Sanskrit: Śamatha). 

Die Entfaltung von Shamatha ist keine Nebenbei-Praxis

Wenn man ernsthaftes Interesse hat, Samadhi und Shamatha zu verwirklichen, dann geht das natürlich nicht nebenbei mit 10-20 Minuten Meditationen pro Tag. Da muss man sich eine längere Auszeit nehmen, z.B. 3-6 Monate.

Im Rahmen dieser Auszeit – eines Retreats in der Abgeschiedenheit – konzentriert man sich dann ausschließlich auf die Meditation und praktiziert nach einem festgelegten Tagesablauf täglich mehrere Stunden lang. 

Für all jene, die sich für Meditation interessieren, ist es wichtig, den gesamten Rahmen zu kennen und schon mal klein anzufangen – z.B. mit täglichen Meditationsübungen oder mit mehrtägigen Retreats.

Wenn man die Theorie kennt, dann weiß man auch, wie man meditiert und was man mit Meditation erreichen kann. 

So entsteht schon zu Beginn der Wunsch, “richtig” zu praktizieren. Dadurch gewöhnt man sich von Anfang an an die korrekte Meditationspraxis und kann, wenn man später mal ein längeres Retreat durchführen möchte, darauf aufbauen.

Shamatha und Vipassana

Man unterscheidet zwei Arten der Meditation: 

1) Konzentrative Meditation, auch Fokus-Meditation genannt, mit dem Ziel, Śamatha (Shamatha – Geistige Ruhe) zu erlangen und 

2) Einsichtsmeditation, auch Analytische Meditation genannt, mit dem Ziel, Vipassanā (Vipassana – Spezielle Einsicht) zu gewinnen. 

Konzentration (Sanskrit: Samadhi) ist die Fähigkeit des Geistes, einspitzig und ohne Ablenkung bei einem beliebigen Meditationsobjekt zu verweilen. Sowohl der eigene Geist als auch das Meditationsobjekt entfalten im Laufe dieses Prozesses immer mehr Klarheit und Strahlkraft.

Schließlich ist der Meditierende in der Lage, den Geist ohne Ablenkung nach Belieben so lange auf das Beobachtungsobjekt zu richten, wie er möchte, und hat vollständige Kontrolle über diesen Prozess.

Einsicht ist ein Aspekt der uns innewohnenden Weisheit, die durch Analyse und Untersuchung trainiert und entwickelt wird. 

Wenn der Geist durch die Übung der Konzentrativen Meditation Klarheit und Stabilität entwickelt hat, nutzen wir diese geistige Kraft für spezielle Analysen, um befreiende Einsichten in die Natur der Phänomene zu gewinnen. 

Wir kontemplieren über die grobe und subtile Unbeständigkeit und beginnen dann mit der Untersuchung der Person. Wir untersuchen das Ich oder das Selbst und fragen uns: Wie erscheint dieses Ich, das Selbst? Existiert das ICH so, wie es mir erscheint? 

Mehr dazu findest du in meinem Blogartikel “Meditieren mit Plan – von unwissend zu erkennend

Leiden entsteht aus falschen Ansichten über die Wirklichkeit

Warum sind diese Untersuchungen und Erkenntnisse wichtig? Weil aus buddhistischer Sicht alle Leiden dieser Welt aus falschen Ansichten bzw. Annahmen über die Wirklichkeit entstehen. Daher ist es wichtig, die Unterscheidende Weisheit zu trainieren und zu entwickeln. Dafür gibt es Vipasssana oder Einsichtsmeditation.

Aus einem Sutra stammt der Satz: “Alle guten Qualitäten der drei Fahrzeuge sind die Früchte von Geistiger Ruhe (Shamatha) und Besonderer Einsicht (Vipassana)”. (Sutra of Unraveling the Thought)

Das bezieht sich auf die beiden Arten der Meditation: konzentrative und analytische Meditation. Der tibetische Meister Gedün Lodrö sagt: “Es gibt keine einzige Meditationspraxis, die nicht in diesen beiden enthalten ist.” (aus: Leah Zahler. Study and Practice of Meditation).

Voraussetzungen für die Meditation

Wenn man sich ernsthaft bemüht – z.B. im Retreat -, einspitzige Konzentration (Samadhi) und in weiterer Folge Geistige Ruhe (Shamatha) zu entfalten, dann müssen bestimmte Voraussetzungen vorhanden sein – man spricht von inneren Voraussetzungen und äußeren Umständen.

Die inneren Voraussetzungen beziehen sich auf die meditierende Person, die äußeren Umstände betreffen den Ort der Meditation und die Körperhaltung.

Bevor Meditierende mit der Praxis beginnen, fragen sie sich daher: “Besitze ich günstige Voraussetzungen zum Erreichen von Shamatha?

Wenn du beispielsweise richtig gutes Gemüse ernten möchtest, dann reicht es nicht aus, einfach nur die Samen in die Erde zu legen. Du brauchst gute, gesunde Samen, einen fruchtbaren Boden, die richtige Jahreszeit, genügend Licht und Feuchtigkeit, meistens auch Menschen, die darauf schauen, dass die jungen Pflanzen nicht vom Unkraut überwuchert werden usw. 

Ähnliches gilt auch für die Meditation. Wenn man mit Hilfe der Meditation mehr als bloße Entspannung und innere Ruhe erreichen will, dann braucht man die richtigen Voraussetzungen.

Innere Voraussetzungen

Genügsamkeit und Zufriedenheit:

Das bedeutet, wenige Wünsche zu haben und mit dem, was man hat, zufrieden zu sein. Wenn man immer daran denkt, was einem fehlt, dann fühlt man sich arm und ist unzufrieden.

Genügsamkeit und Zufriedenheit sind allgemein sehr förderlich für das eigene Wohlbefinden. Viele unerfüllte Wünsche zu haben, ist ein großes inneres Leiden und ein großer Störfaktor für die Meditation.

Wenig Ablenkung und Geschäftigkeit:

Wenn man ständig beschäftigt ist, hat man nicht genügend Zeit und Ruhe für die Meditation. Das beeinträchtigt sowohl die Freude am Meditieren als auch den Fortschritt in der Meditationspraxis.

Daher sollte man sich während des Retreats nicht oder nur wenig ablenken lassen. Internet und soziale Medien konsumiert man während dieser Zeit am besten gar nicht oder zumindest nur sehr selten.

Als Ablenkung zählt hier auch das Reden über nichtige Dinge.

Ethische Disziplin:

Allgemein im Leben, aber ganz besonders während des Retreats sollte man sich um eine ethische Lebensführung bemühen. Diese Lebenshaltung unterstützt nicht nur die Meditationspraxis, sondern schafft die Ursachen für glückliche Umstände in diesem und in zukünftigen Leben. 

Die Grundlage jeder ethischen Disziplin ist die Vermeidung der sog. Zehn Unheilsamen Handlungen: 

  1. Die drei unheilsamen Handlungen des Körpers sind: Töten, Stehlen, sexuelles Fehlverhalten.
  2. Die vier unheilsamen Handlungen der Rede sind: Lügen, entzweiende Rede, verbale Grobheit, sinnloses Geschwätz.
  3. Die drei unheilsamen Handlungen des Geistes sind: Neidische Habsucht, böse Absicht, Festhalten an falschen Ansichten

Ad 1)

Töten bedeutet, dass man das Leben eines anderen Lebewesens auslöscht – sei es ein Mensch oder ein Tier. Ob groß, ob klein, ob berühmt oder unbekannt, ob geboren oder ungeboren – für jedes Lebewesen ist das eigene Leben das kostbarste. Daher gehört Töten zu den besonders unheilsamen Handlungen.

Stehlen ist das Nehmen von Gütern ohne Einverständnis des Besitzers. Dazu gehört auch das Anstiften zum Stehlen.

Sexuelles Fehlverhalten ist z.B. Geschlechtsverkehr…

  • mit den “falschen” Personen: z.B. mit Menschen, die mit einem anderen Partner zusammenleben; mit Kindern, mit Verwandten etc. 
  • an den “falschen” Orten: in Tempeln oder in unmittelbarer Nähe von heiligen Orten.

Ad 2)

Lügen ist die bewusste Absicht, Dinge so darzustellen, um andere Personen zu täuschen. Auch spaßhaftes Lügen ist eine Lüge.

Entzweiende Rede bedeutet, dass man durch die eigene Rede Zwietracht sät und Menschen auseinanderbringt, indem man schlecht über andere spricht.

Verbale Grobheit ist, wenn man aus einer negativen Motivation heraus, andere Menschen mit groben und verletzenden Worten beleidigt.

Sinnloses Geschwätz ist deswegen “unheilsam”, weil aus dem Reden über unwichtige Dinge häufig negative Handlungen entstehen.

Ad 3) 

Neidische Habsucht: Man begehrt Güter, die anderen gehören. Dadurch wird die eigene Geistesruhe gestört und in Unruhe versetzt.

Böse Absicht: Aus Wut und Rachegefühlen entsteht der Wunsch, anderen Menschen Schaden zuzufügen.

Festhalten an falschen Ansichten: Wenn man als Buddhist z.B. die Kernpunkte der buddhistischen Lehre nicht nur kurzzeitig zum Zwecke des Analysierens und Nachdenkens, sondern dauerhaft als falsch und unwahr ansieht. Wenn man glaubt, die zentralen Aussagen der buddhistischen Lehre seien bloße Erfindungen und fern jeder Wirklichkeit. Solche Kernpunkte wären z.B. die Vier Edlen Wahrheiten, das Gesetz von Ursache und Wirkung usw. Gesunder Zweifel ist damit nicht gemeint.

Zur ethischen Disziplin zählen auch alle Gelübde, die der Meditierende genommen hat, z.B. die Fünf Laiengelübde usw.

Äußere Umstände

Die äußeren Voraussetzungen beziehen sich auf den Ort, an dem man meditiert. Für längere Meditations-Retreats gelten folgende Eigenschaften als förderlich:

Ruhig und abgeschieden:

Straßenlärm, das Kommen und Gehen vieler Menschen, laute Umgebungen usw. stören die Meditation. Daher sind solche Orte für Meditationsretreats ungeeignet.

Gesund:

Der Ort sollte sauber sein und frei von Krankheitsüberträgern, wie z.B. Moskitos. Ebenso sollte es ungefährlich sein in dem Sinne, dass es dort keine Raubtiere gibt – das sagen die traditionellen Texte. 

Gesicherter Lebensunterhalt und gute Gefährten:

Man braucht nicht nur ausreichend Lebensmittel, sondern auch einen Ort, den man nicht vorzeitig verlassen muss. Zudem ist es förderlich, Freunde in der Nähe zu haben, die da sind, wenn man Hilfe braucht, z.B. beim Einkaufen oder wenn man krank wird usw.

Gesegneter Ort:

Zudem ist es günstig, an einem Ort zu meditieren, wo bereits früher Menschen mit hohen Verwirklichungen meditiert haben. Wenn man diese Gelegenheit hat, kann man sich glücklich schätzen.

Die Körperhaltung bei der Meditation

Nehmen wir an, alle bisher genannten Voraussetzungen sind vorhanden. Nun bereiten wir den Meditationsplatz vor, setzen uns auf das Meditationskissen und nehmen die 7-fache oder 8-fache Körperhaltung ein.

Die 7-fache Körperhaltung nach Vairocana

Sie wird so genannt, weil Buddha Vairocana die Reinheit des Körpers symbolisiert.

  1. Beine und Hände

Die Beine sind überkreuzt, wenn möglich im vollen oder halben Lotussitz. S.H. der Dalai Lama sagt heutzutage auch, dass es in Ordnung ist, wenn man die Beine in eine möglichst angenehme Position bringt.

Die Hände sind in der Mudra der Meditation: die rechte Hand ruht in der linken, die Daumen berühren sich ca. auf Nabelhöhe. 

  1. Rücken

Die Wirbelsäule ist pfeilgerade, ohne nach vorne oder hinten zu neigen.

  1. Schultern 

Die Schultern sind entspannt, auf gleicher Höhe und nicht hochgezogen.

  1. Kopf und Hals

Der Hals wird gestreckt und der Kopf leicht nach vorne gebeugt, sodass wir einen sanften Druck auf den Adamsapfel spüren. 

  1. Lippen und Zähne

Lippen und Zähne sind natürlich und entspannt.

  1. Zunge

Die Zunge ruht auf dem vorderen Gaumen, sodass die Zungenspitze die Vorderzähne berührt.

  1. Augen

Die Augen sind halb geöffnet, der Blick gleitet die Nase entlang und ruht auf dem Boden, ca. 1 Meter vor dem Meditierenden.

Bei der 8-fachen Körperhaltung werden die genannten sieben Punkte erweitert durch das bewusste Atmen: “Atme ruhig und sanft.

Die Motivation

Wenn das Ziel der Meditationspraxis das Erreichen von Samadhi und Shamatha ist, dann richtet man den Geist vor der Meditationssitzung mit klaren Gedanken auf dieses Ziel aus.

Nächste Woche geht’s weiter mit der eigentlichen Meditationspraxis: Welche Meditationsobjekte sind geeignet und was sind die 9 Stufen der Meditation auf dem Weg zur Entfaltung von Shamatha.


Mini-Retreat Achtsamkeit: Fokus & Stille

3 Stunden Auszeit: Halbtag der Achtsamkeit – ein Mini-Retreat mit Atemübungen, Meditation, Achtsamkeitspraxis und Austausch.

Nächster Termin:

Sonntag, 26.10., 9-12 Uhr


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Achtsamkeits-Guide: 9 kostbare Minuten

3 wunderbare Körperübungen, die helfen, Stress abzubauen, Gedanken loszulassen und präsent zu werden.

Monika Eisenbeutel Achtsamkeits-Guide 9 Minuten

AUFWACHEN 👉 Energie und Kraft für den Tag.

LOSLASSEN 👉 frei von gedanklichen Verstrickungen und körperlichen Anspannungen.

ENTSPANNEN 👉 den Tag ruhig ausklingen lassen

Jede Übung dauert 3 Minuten.

Du kannst die Anleitungen lesen (als PDF) oder hören (als MP3-Datei).


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